Die HafenCity, immerhin das größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt in ganz Europa, hat Hamburg weltweit als Labor für neue Urbanität bekannt gemacht. Dabei ist die HafenCity bei weitem nicht das erste und einzige Projekt in der Hansestadt, bei dem Leben und Arbeiten in der Stadt neu gedacht und umgesetzt wurde.
Bei dieser Reise lernen Sie die aktuelle Stadtentwicklung, insbesondere der HafenCity, kennen. Sie begeben sich aber auch auf historische Spuren – im Gängeviertel genauso wie zwischen den Kontorhäusern und in der Speicherstadt. Ein weiterer Aspekt der Reise wird die Frage des sozialen Zusammenlebens sein. Hamburg war hier schon immer Vorreiter und Labor. Aktuell wird im Stadtteil Ottensen mit autofreien Wohnstraßen experimentiert. Aber auch alternative Formen der Urbanität haben in Hamburg große Tradition, sei es bei den ehemals besetzten Häusern der Hafenstraße oder der sog. Roten Flora. Letztere werden Sie bei einem geführten Besuch und einem anschließenden Gespräch kennen lernen.
Die Höhepunkte dieser Reise:
- Führung und Gespräch in der Roten Flora / im letzten erhalten gebliebenen Gängeviertel
- Sprung über die Elbe
- Unesco-Welterbe Kontorhäuser und Speicherstadt
- Ottensen als autofreies Wohnviertel
- aktuelle Entwicklungen in der HafenCity
- Konzert in der Elbphilharmonie
Elbphilharmonie großer Saal
Mo, 19.10.2020 20 Uhr
Portico Quartet / Hania Rani / Matthew Halsall
Gondwana Records Labelnight
Gondwana Records wurde 2008 von Trompeter, Komponist und Produzent Matthew Halsall gegründet und hat sich seither zu einem der wichtigsten Independent-Labels in Europa entwickelt. Ursprünglich vor allem als Label für die lokale Jazz-Szene in Manchester gedacht, ist Gondwana Records heute zu einem international agierenden Plattenlabel herangewachsen. Zur heutigen Labelschau wurden die Minimalisten des Portico Quartet und die polnische Pianistin und Komponistin Hania Rani in den Großen Saal der Elbphilharmonie geladen. Zudem tritt mit Matthew Halsall der Label-Chef selbst auf die Bühne und präsentiert uns seinen einzigartigen spirituellen Jazz.
Hier gibt es eine Hörprobe.
Stadtentwicklung heute, gestern, morgen
Hamburg zählt zu den Städten, die besonders häufig und dabei sehr schnell Teile ihres Gesichtes verändert haben. Gründe hierfür sind das kräftige Wachstum der Hafenstadt über die Jahrhunderte – genauso wie veränderte politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen, aber auch schwere Katastrophen und tiefgreifende Strukturwandel.
Gängeviertel: Opfer der Flammen
Eine erste große einschneidende Veränderung im Hamburger Stadtbild, aber auch in der Art und Weise, wie die Menschen zusammen lebten, geht auf den Großen Brand von 1842 zurück. Große Teile der Altstadt – inklusive der damals für Hamburg so typischen, engen Gängeviertel – wurden vernichtet. Beim Wiederaufbau plante man weitaus großzügiger und luftiger. Zwischen Rathaus- und Gänsemarkt entstand so ein neues klassizistisches Viertel. Und jene historische kleinteilige Bebauung, die nicht Opfer der Flammen wurden, wich in den Folgejahren ebenfalls einer großzügigeren, moderneren Architektur. Von den alten Hamburger Gängevierteln existiert heute nur noch ein winziges Areal, das vor wenigen Jahren ebenfalls vom Abriss bedroht wurde, von einer Künstler-Initiative jedoch gerettet werden konnte und seitdem genossenschaftlich als Wohn- und Kulturprojekt genutzt wird.
Freie und Abriss-Stadt Hamburg
Die Gründung des Deutschen Reiches 1871 und die Integration Hamburgs in das Zollgebiet 1888 führte ebenfalls zu einer einschneidenden Veränderung. Die bis dahin komplett freie und unabhängige Hafenstadt erhob auf den Handel von Waren und Gütern aus aller Herren Länder keinerlei Zölle. Diese Politik des Freihandels trug erheblich zur wirtschaftlichen Prosperität der Stadt bei – und Hamburg wollte diesen Vorteil natürlich behalten. Schließlich kam es zum Kompromiss: der Gründung des Freihafens, in dem weiterhin ohne jegliche Zollabgabe Waren gehandelt und gelagert wurden. Die Stadt stand hierbei vor einer großen Herausforderung. Schließlich waren Lager und Handelsplätze bislang quer über das Stadtgebiet verteilt und zumeist in die Wohnhäuser der jeweiligen „Pfeffersäcke“ integriert. Jetzt wurde jedoch eine Entflechtung von Arbeit und Wohnen notwendig: Im neuen Freihafengebiet zog man dazu innerhalb weniger Jahre einen völlig neuartigen Lagerhaus-Komplex hoch – die Speicherstadt. Um Platz dafür zu gewinnen, wurden 20.000 Menschen zwangsumgesiedelt und deren Häuser abgerissen. "Freie und Abriss-Stadt Hamburg", lästerte Alfred Lichtwark, der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle.
Etwa zeitgleich änderte sich die Arbeitswelt grundlegend. Nicht nur Fabriken entstanden landauf, landab. Auch eine immer größere Zahl an reinen Bürotätigkeiten kristallisierte sich heraus. Kaufleute, Anwälte, Versicherungsagenten etc. brauchten Arbeitsräume. Findige Investoren deckten diesen Bedarf mit den ersten Kontorhäusern (norddeutsch für Bürogebäude). Diese prachtvoll gestalteten Häuser symbolisieren genauso einen gesellschaftlichen Umbruch wie die Speicherstadt. Sie zählen gerade auch aus diesem Grund zum Unesco-Welterbe – und nicht nur wegen ihrer markanten Gestaltung.
Der Zweite Weltkrieg schlug heftige Wunden in die Stadt. Das Arbeiterviertel Rothenburgsort wurde praktisch ausgelöscht – und danach zum Industriegebiet umgewidmet. In der Innenstadt nutzte man Schneisen, die die Bombenangriffe geschlagen hatten, für die autogerechte Stadt. Und tatsächlich wurde, um Platz für Verkehrsflächen und modernere Gebäude zu machen, auch vom Krieg weitgehend unversehrte Bausubstanz abgerissen.
Das ganze gipfelte in Plänen, gewachsene Stadtteile wie St. Georg und Ottensen mit ihren typischen, heute hochbegehrten Gründerzeitwohnungen komplett platt zu machen. Ein neues, 200 Meter hohes Alsterzentrum für 20.000 Bewohner und eine neue City-West mit eigenem Autobahnzubringer schwebten den Planern vor. Die anfängliche Bau-Euphorie wich jedoch schnell dem Widerstand der Bewohner. Spätestens in den 1970er-Jahren hatte sich der Zeitgeist gedreht – und es gründeten sich zahlreiche Initiativen, die eine behutsame Sanierung der bestehenden Wohnungen und eine Umwidmung von aufgelassenen Fabrikgebäuden zu Kultur- und Stadtteilzentren forderten. Diese Graswurzel-Bewegungen definierten Urbanität neu. Auch die Stadtplaner begannen umzudenken, so dass die Abrisspläne in den Archiven verschwanden.
Hausbesetzer und neue Wohnformen
Tatsächlich vollzog sich dieser Wandel im Umgang mit der eigenen Stadt weitgehend friedlich. Mancherorts kam es jedoch zu heftigen Interessenskonflikten zwischen Investoren und militant auftretenden Initiativen: So wurden die leerstehenden, dem Abriss freigegebenen Häuser in der Hafenstraße von Aktivisten besetzt. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit der Polizei wurde die Häuserzeile schließlich an die genossenschaftlich organisierten Bewohner verkauft. Aus Hausbesetzern wurden Hausbesitzer.
Heute ist es die Rote Flora, die als autonomes Kultur- und Stadtteilzentrum ein alternatives Miteinander in der Stadt mit einer der höchsten Millionärsdichte Europas ermöglichen will. Zwar geriet die Flora zuletzt mit den Krawallen rund um den G20-Gipfel in die Schlagzeilen – sehr zum Leidwesen der Rotfloristen, die sich von der Gewalt vor ihrer Haustür mittlerweile klar distanzieren.